Der Corona-Pandemie-Rettungsanker - (Not-)Grundeinkommen dringend erforderlich

Stefan Wolf

Ein befristetes bedingungsloses (Not-)Grundeinkommen ist machbar und finanzierbar

Aufgrund von COVID-19 leben allein in Deutschland mehrere Millionen Menschen in einer existentiellen Notsituation. Sie werden nicht oder nur unzureichend durch die bisher beschlossenen staatlichen Maßnahmen abgesichert. Die BAG Grundeinkommen in und bei der Partei DIE LINKE. schlägt eine temporäre Einführung eines bedingungslosen (Not)grundeinkommens in Höhe von 1.180 Euro[i] pro Monat für alle in Deutschland lebenden Menschen ab 16 Jahren vor. Kinder bis 16 Jahren sollen 590 Euro monatlich erhalten.

Eine Befristung auf zunächst drei Monate würde ca. 272 Milliarden Euro brutto[ii] kosten und soll durch eine solidarische einmalige Abgabe auf zu versteuerndes Einkommen für alle in Höhe von acht Prozent auf das im Jahr  2020 erzielte Jahreseinkommen und Einsparungen bei steuerfinanzierten bedürftigkeitsgeprüften Leistungen und beim Kindergeld teilweise refinanziert werden: Durch die mit der Abgabe zu erwartenden Einnahmen in Höhen von geschätzten 155 Milliarden Euro[iii] und Einsparungen bei temporär durch das Grundeinkommen entfallenden bedürftigkeitsgeprüften Leistungen und Kindergeld in Höhe von ca. 20 Milliarden Euro[iv] lägen die Nettokosten dieses temporären Grundeinkommens bei ca. 97 Milliarden Euro.

Zur Finanzierung dieser Nettokosten schlagen wir eine einmalige Vermögensabgabe für große Vermögen ab einer Million Euro in Höhe von fünf Prozent[v] (Ertrag ca. 80 Milliarden Euro) vor. Die verbliebene Lücke von 17 Milliarden Euro soll durch eine höhere Neuverschuldung finanziert werden, um antizyklisch gegenzusteuern und durch zusätzliche Finanzmittel die Wirtschaft unter ökologischen Vorgaben anzukurbeln.

Der solidarische Umverteilungseffekt dieser Maßnahmen würde Menschen mit geringem oder keinem Einkommen stärken und Gutverdienende stärker belasten als heute. Menschen, die temporär COVID19-bedingt in eine Notsituation geraten sind oder deutlichen Einkommenseinbußen zu verkraften haben, wäre flächendeckend und unkompliziert geholfen.  Die Massenkaufkraft für nachhaltige Produkte wäre gestärkt und der Bedarf von Gütern des täglichen Bedarfes und für Wohnen für alle gesichert. Indirekt wäre es auch ein ökologisches Wirtschaftsförderungsprogramm.

Kurz zusammengefasst: Das (Not)grundeinkommen wird temporär an alle in Deutschland mit Erstwohnsitz lebende Menschen ohne Bedürftigkeitsprüfung und Zwang zur Arbeit oder eine Gegenleistung ausbezahlt und nach Ermittlung des Jahreseinkommens 2020 nachträglich refinanziert. Menschen mit geringem und durchschnittlichem Einkommen, Soloselbständige und viele Menschen mit Kindern würden davon deutlich profitieren, Menschen mit sehr hohem Einkommen würden eine höhere Grundeinkommensabgabe zahlen als das erhaltene Grundeinkommen. Es ist problemlos zu finanzieren. [vi] Bei Bedarf kann das (Not) grundeinkommen verlängert werden, was eine modifizierte Finanzierungskonzeption erfordert, die insbesondere den exorbitanten Vermögenszuwachs bei den Krisengewinner*innen berücksichtigt.[vii]

 


[i] Entspricht etwa der Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrags und wäre in existenz- und teilhabesichernder Höhe

[ii] Annahme: 83 Millionen Menschen, davon 12 Millionen unter 16 Jahre

[iii] Annahme: zu versteuerndes Einkommen 2020 insgesamt 1940 Milliarden Euro

[iv] Gemäß Berechnungen liegt das jährliche Einsparpotenzial bei 99 Milliarden Euro pro Jahr (Konzept PDF), daher wurden für 3 Monate vorsichtig geschätzt 20 Milliarden Euro an Einsparungen angesetzt.

[v] Freibetrag von einer Million Euro pro Kopf, 5 Millionen Euro Freibetrag bei Betriebsvermögen

[vi] Rechenbeispiele:

Single mit Jahresbruttoeinkommen von 20.000 €:
Erhaltenes Krisengrundeinkommen: 3.540 €,
Grundeinkommensabgabe auf das Jahreseinkommen: 1.600 €
Nettounterstützung:  1.940 €

Alleinerziehend mit Kind, Bruttoeinkommen 15.000 €:
Erhaltenes Krisengrundeinkommen: 5.310 €
Grundeinkommensabgabe auf das Jahreseinkommen: 1200 €
Nettounterstützung: 4.110 €

Ehepaar ohne Kinder, gemeinsames Jahresbruttoeinkommen 60.000 €
Erhaltenes Krisengrundeinkommen: 7.080 €
Grundeinkommensabgabe auf das Jahreseinkommen: 4.800 €
Nettounterstützung: 2.280 €

Single, Bruttojahreseinkommen: 43.000 €
Erhaltenes Krisengrundeinkommen: 3.540 €,
Grundeinkommensabgabe auf das Jahreseinkommen:  3.440 €
Nettounterstützung: 100 €

Single, Bruttojahreseinkommen: 100.000 €
Erhaltenes Krisengrundeinkommen: 3.540 €,
Grundeinkommensabgabe auf das Jahreseinkommen:  8.000 €
Nettojahresbeitrag zur Finanzierung des Grundeinkommens:  4.460 €

[vii] „In Deutschland stieg das Nettovermögen der Ultrareichen nach einem Einbruch zu Beginn der Corona-Pandemie bis Ende Juli auf 594,9 Milliarden Dollar. Bei der letzten Untersuchung (Stichtag März 2019) waren es 500,9 Milliarden Dollar. Der Club der Superreichen wuchs seitdem von 114 auf 119 Mitglieder. Den größten Zuwachs erzielten die deutschen Dollar-Milliardäre nach Ausbruch der Pandemie in den Bereichen Technologie (plus 46 Prozent), Gesundheitswesen (plus 12 Prozent) und Finanzwesen (plus 11 Prozent). Traditionell habe es in Deutschland bislang wenig Veränderungen innerhalb der hochvermögenden Kreise gegeben, erläuterte Maximilian Kunkel, UBS-Chefanlagestratege für Deutschland. ‚Covid-19 beschleunigt nun überdurchschnittlich das Vermögenswachstum in den innovationsgetriebenen Bereichen wie dem Technologie- oder Gesundheitssektor und sorgt damit für eine Verschiebung des Vermögens. ‘ Unternehmer in diesen Bereichen haben nach seinen Angaben in den letzten Monaten unter anderem davon profitiert, dass sich die kurzfristigen Ertragseinbußen in Grenzen hielten, während sich die langfristigen Perspektiven teilweise deutlich verbessert hätten.“ (https://www.cio.de/a/ultrareiche-sind-die-gewinner-der-krise,3644846)

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